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Trauer um Wildor Hollmann

Ein persönlicher Nachruf der Sportmedizin

Am Himmelfahrtstag, dem 13. Mai 2021, verstarb Herr Univ.-Prof. mult. Dr. med. Dr. h.c. mult. Wildor Hollmann, im 97. Lebensjahr, nach kurzer Krankheit. Ein großer Sportarzt, ein weltberühmter Forscher, ein genialer Erfinder und ein wunderbarer Mensch hat die Weltbühne, seine Familie, seine Freunde und die Sportärzte verlassen. Wir alle trauern um eine Persönlichkeit von besonderem Geist, von großer Güte, Wärme und Liebe zu den Menschen. Von seinen Verdiensten um die deutsche und weltweite Sportmedizin werden viele Beiträge in der kommenden Zeit erscheinen.

Wir Sportärzte und Freunde aber möchten an dieser Stelle unserer Trauer über den Verlust des Freundes und Kollegen Wildor Hollmann Ausdruck verleihen, diesen einmaligen Menschen würdigen und ihm – posthum – für das alles herzlich danken, was er für unser Fach geleistet und für uns getan hat.

Wildor HollmannAbb. 1:  Wildor Hollmann

Menschen mit solch erhabener Ausgeglichenheit und Ruhe, wie er sie unablässig ausstrahlte, sind extrem selten. Wildor Hollmann hat wohl nie jemand hektisch erlebt. Er war immer voll konzentriert und im Gespräch der geduldigste Zuhörer, den man sich denken kann. Dabei sprach er im Gespräch und in seinen Vorträgen lupenreines Deutsch, ohne Flickwörter oder Satzbrüche.

Wildor Hollmann, war einer der wenigen Kriegsteilnehmer, der ab und an eine Bemerkung über diese Zeit als Flugzeugführer, Fallschirmspringer, Verwundeter und britischer Gefangener gemacht hat.  „Als wir das überlebt hatten, hielten wir uns für unkaputtbar“ äußerte er nicht nur einmal. Betrachtet man sein langes, oft schönes, erfülltes und erfolgreiches Leben, so könnte man der Versuchung erliegen, dies zu glauben.

Der gemeinsame Besuch einiger Veranstaltungen der Olympischen Spiele in Mexico City 1968, brachte die ersten persönlichen Kontakte zwischen ihm und dem Autor. Gemeinsam bangten beide betreuenden Sport-Ärzte dort im Leichtathletikstadion um die Bizeps-Sehne eines deutschen Zehnkämpfers beim Speerwurf. In der Zeit von 1984 bis 1998 bei gemeinsamer Tätigkeit im Präsidium des Deutschen Sportärztebundes (DSÄB, ab 1999 „Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention“) entstand eine enge persönliche Freundschaft, in die die Familien einbezogen wurden.

Abb. 2: Die Kollegen Hollmann und Reindell 1984 in Heidelberg im Gespräch
Abb. 2: Prof. Hollmann und Prof. Reindell (Präsidial-Sitzung 1984 Heidelberg)

In dieser Zeit schafften Wildor Hollmann und Herbert Reindell es, die schwelenden Konkurrenz-Probleme der beiden führenden westdeutschen Sportmedizin- Zentren in Freiburg und Köln zu beseitigen. Während einer Präsidialsitzung in Heidelberg gingen Wildor und sein Vorgänger als Präsident des DSÄB, Prof. Dr. med. Herbert Reindell, der ehemalige Chef in Freiburg, aufeinander zu, boten sich gegenseitig das „Du“ an und vereinbarten eine Zusammenarbeit. Der Autor, der als Vizepräsident der Deutschen Sportmedizin unter beiden Präsidenten diente, stand erstaunt und erfreut zugleich daneben.

Während Wildor Hollmanns Zeit als  Präsident des Weltverbandes für Sportmedizin (Fédération Internationale de Médecine du Sport, Weltverband der Sportmedizin, FIMS) von 1986 bis 1994 gab es nur sporadische Kontakte zwischen uns Nordrheinern und ihm, weil er und seine Frau Ingeborg sehr viel unterwegs waren. Im Jahr 1988 bat er den Autor, an einem Abendessen von Mitgliedern der FIMS in Bad Honnef am Rhein teilzunehmen, um die Französisch sprachigen Mitglieder zu betreuen. Dabei sagte er in einer Rede zum Erstaunen aller Teilnehmer, einschließlich des Autors, er sei überzeugt, dass die deutsche Mauer sehr bald verschwinden werde. Gefragt, was er wisse, meinte er: „Nichts! Ich habe aber so eine Ahnung. Die Kollegen in der DDR wollen auch nicht daran glauben, aber sie spüren eine Unruhe“. Dass er dann Recht behielt, hat alle überrascht.

Apropos Inge Hollmann: Man kann nicht über Wildor Hollmanns Leben berichten, ohne seine geliebte Ehefrau Ingeborg, die Mutter seiner zwei Kinder Ulrike und Helmut, mit in den Blick zu nehmen. Sie opferte ihre Karriere als Ärztin voll dem geliebten Mann und der eigenen Familie. Während sich Wildor Hollmanns Berufsleben in Köln abspielte, wo er die Woche über in einer Wohnung lebte, fand seine private Vita größtenteils in Brüggen am Niederrhein statt, wo Inge mit der Familie wohnte. In Menden (Sauerland) war er als Kind aufgewachsen und hatte bei seinem Großvater, einem Arzt, seinen Berufswunsch entwickelt.

 Abb. 3: Ingeborg und Wildor 2003 in der Sportschule zu Hennef Abb. 3: Ingeborg und Wildor 2003 in der Sportschule zu Hennef

Inge Hollmann war die Organisatorin seines privaten Lebens und seiner Reisen. Sie übernahm oft die Rolle des weiblichen Figaro, immer präsent und immer zur Stelle, wenn erforderlich. Inge lebte für Wildor und die Kinder, später für die Großfamilie und die Enkelkinder, darin ging sie voll auf. In einem  Gespräch anlässlich des Besuchs des Ehepaares Hollmann zusammen mit Dr. Michael Fritz und seiner lieben verstorbenen Frau Uli, im Hause Schnell 2010, sagte Inge: „Ich fühle mich zwar in letzter Zeit etwas müde, bin aber mit meinem jetzt sehr viel ruhigeren Leben voll zufrieden“, dies geschah knapp 1 ½ Jahre vor ihrem so frühen Ableben. Ihre Aufgabe im privaten Bereich übernahm danach weitgehend die gemeinsame Tochter Ulrike Haertel, die Wildor Hollmann bis zu seinem Heimgang betreute.

 Abb. 4: Wildor Hollmann der mehrjährige Betreuer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vor dem Bild der Fußball-Weltmeister von Bern 1954 in der Sportschule Hennef/Sieg 04 Abb 4

Die Hollmanns waren eine fröhliche Familie. Ein großes Vorbild an Humor stellte Wildor selbst dar. Bei seinen Vorlesungen in der Deutschen Sporthochschule zu Köln (DSHS) bis kurz vor der Pandemie (noch mit 94 Jahren) und seinen häufigen Vorträgen bei unseren Sportärzte-Kursen (geleitet von Bruder Dr. Hans-Jürgen Schnell und dem Autor) in der Sportschule Hennef Sieg zeigte sich dieser Humor in besonderer Weise. Wildor flocht in seine Vorträge heitere Bemerkungen, Kritik an Fehleinschätzungen des Sports ein, die das Auditorium minutenlang zum Lachen brachten.

Wildor Hollmann liebte, wie schon dargestellt, stets das Schöne, war dem Weiblichen sehr zugetan und bewunderte wohlgestaltete Menschen. Vor einem Wand-Bild in der Wohnung des Gastgebers der Präsidial-Sitzungen (Abb. 5), Dr. Hans Stecher zu Heidelberg blieb er immer wieder minutenlang bewundernd stehen. 

Abb. 3: Ingeborg und Wildor 2003 in der Sportschule zu HennefAbb. 5: Wildor Hollmann vor dem erwähnten Bild

In einer Publikation von Trainingsergebnissen 1973 äußerte Wildor Hollmann einen seiner berühmtesten Lehrsätze für jahrzehntelang körperlich inaktiv gewesene ältere und alte Menschen: „Durch ein geeignetes körperliches Training gelingt es, 20 Jahre lang 40 Jahre alt zu bleiben.“. Diesen Satz erweiterte er später auf: „40 Jahre 40 Jahre alt zu bleiben“. Davon legte er selbst Zeugnis ab. Intensives mehrstündiges Tischtennis- und Tennis -Spiel, später tägliches ausreichend langes Treppensteigen im eigenen Haus hielten ihn fit. Ja, ein noch intensiveres  Ausdauer-Training half ihm später, in seinen mittleren 80er Jahren nach einem schweren Sturz mit vielen Knochenbrüchen,  wieder auf die Beine zu kommen, normal, gehen und arbeiten zu können.

In seinem 91. Lebensjahr entdeckte er den Tanz als Mittel der Gesunderhaltung. Körperliches Training, Musik und die Schönheit von Bewegung und Weiblichkeit halfen ihm, noch lange Jahre gesund zu bleiben (s. Link unten).

Wildor Hollmann bleibt seinen Schülern und Studenten, Kolleginnen und Kollegen und vielen andern Menschen, die ihn erleben durften, als gradlinig eigenen Maximen folgender, fröhlicher, ausgeglichener, zufriedener Mensch in Erinnerung, der in seinem Leben Großes geleistet hat und dennoch bescheiden blieb.

Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention trauert um ihren Ehren-Präsidenten, der Sportärztebund Nordrhein um seinen Ehren-Vorsitzenden!

Univ.-Prof. mult. Dr. med. Dr. h.c. mult. Wildor Hollmann

requiesce in pace!

 

Dr. Dieter Schnell

Bildernachweis: Aufnahmen des Autors.

 


 

 

 

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